Nach meinem Tod, werde ich Rosen vom Himmel regnen lassen
Die kleine Thérèse kam am 2. Januar 1873 in Alencon als letztgeborenes Kind der Familie Martin zur Welt. Düstere Wolken zogen jedoch an dem leuchtend blauen Himmel auf: ihre Mutter wird im Sommer 1877 durch einen Krebs aus dem Leben gerissen. Es bleibt ein Vater mit fünf Töchtern von siebzehn bis vier Jahren zurück.
Leben:
Thérèse verbringt elf Jahre in Les Buissonnets, einem schönen, etwas abseits des Stadtzentrums gelegenen Haus mit seinem ruhigen Garten. Ihre Schwestern Marie und Pauline überwachen ihre Erziehung. Louis Martin besitzt eine ebenso mütterliche wie väterliche Art. Er geht oft mit seiner "kleinen Königin" spazieren, zum Angeln auf dem Land in der Umgebung. Thérèse´s Charakter hat sich verändert: durch den Schock des Abschieds von ihrer Mutter zieht sie sich in ihr Inneres zurück, wird schüchtern und unscheinbar.
Schule und Krankheit
Der Schulbeginn bei den Benediktinerinnen von Unserer Lieben Frau vom Anger (Notre-Dame du Pré) stellt für sie, die achteinhalb Jahre alt ist, eine schwere Prüfung dar. Es trifft sie mit zehn Jahren sehr hart, daß ihre Lieblingsschwester Pauline in den Karmel eintritt (2. Oktober 1882). Sie hatte sie als zweite Mutter erwählt. Dieser neue seelische Schock öffnet die Narbe so weit, daß sie schwer krank wird. Einen Monat lang schwebt ihr familiärer Umkreis in fürchterlicher Sorge: die Ärzte sind gegen ihre Halluzinationen, unvorhersehbaren Verdrehungen des Körpers und Abmagerung machtlos.
Heilung
Familie und Karmelitinnen rufen Unsere Liebe Frau der Siege an. Als man schon nicht mehr weiß, ob das Kind "sterben oder verrückt bleiben" wird, lächelt ihm die Statue der heiligen Jungfrau, die sich im Besitz der Familie befindet, am 13. Mai 1883 zu. Thérèse ist geheilt.
Die ältere Schwester tritt ihrerseits in den Karmel von Lisieux ein (15. Oktober 1886). Dies ist zuviel für das junge Mädchen, das von seiner dritten Mutter getrennt wird. Sie steht in ihrem vierzehnten Lebensjahr. Sie lebt jedoch mit einer inneren Not, die erst durch die Fürsprache ihrer vier kleinen Brüder und Schwestern im Himmel endet, die sie im November 1886 anfleht. Befreit von dieser Not, bleibt sie sehr empfindlich, mit schwachem Willen, "weinend darüber, geweint zu haben".
Die Gnade bekehrt sie im Treppenhaus von Les Buissonnets in der Nacht des 24. Dezember 1886, nachdem sie von der Mitternachtsmesse in der Kathedrale Saint-Pierre zurückgekehrt ist. Ein Wort ihres Vaters löst eine plötzliche innere Verwandlung aus. Die Kraft des göttlichen Kindes füllt ihre Schwäche aus. Sie findet plötzlich wieder zu ihrem starken Charakter zurück, den sie bis zu viereinhalb Jahren hatte. Zehn Jahre des Kampfes gehen zu Ende.
Herzenswunsch
Nun kann sich ihr Wunsch erfüllen: so rasch wie möglich in den Karmel eintreten, um Jesus zu lieben und für die Sünder zu beten. Im Sommer 1887 bewirkt eine während der Messe empfangene Gnade, daß sie sich im Geiste an den Fuß des Kreuzes stellt, um sein Blut aufzufangen und es den Seelen zu geben. Mit der Durchhaltekraft der Liebenden kämpft sie darum, mit fünfzehn Jahren in dem Karmel eintreten zu können: sie hat die Einwände ihres Vaters, (der schnell überzeugt wird), ihres Onkels Guérin, des Superiors des Karmels und des Bischofs von Bayeux, Mgr. Hugonin, zu überwinden... sie entscheidet sich, ihre Bitte an Leo XIII. zu richten, da sie mit ihrem Vater und Céline zu einer Pilgerfahrt nach Italien angemeldet ist.
Besuch beim Papst
In diesem November 1887 entdeckt sie die Schweiz, Florenz, Venedig, Assisi und vor allem Rom, was ihrem Leben einen entscheidenden Ausschlag geben wird. Voller Leidenschaft öffnet sie Augen und Ohren, entdeckt, daß die Priester keine Engel sind, sondern "schwache und gebrechliche Menschen". Sie haben das Gebet bitter nötig, und so versteht sie besser die Berufung des Karmel. Das Ziel ihrer Pilgerfahrt bleibt jedoch das gleiche: den Papst zu bitten, mit fünfzehn Jahren ins Kloster eintreten zu können. Die Audienz vom Sonntag, den 20. November 1887 ist nach Célines Angaben ein "Fiasko". Leo XIII. antwortet auf die flehentlichen Bitten von Thérèse ausweichend. In Tränen aufgelöst wird das Mädchen von der päpstlichen Garde weggeführt. Ihr bleibt nur noch Jesus.
Wieder zurück
Zurück in Lisieux erhält sie nach einer quälenden Wartezeit endlich die Erlaubnis von Mgr. Hugonin. Noch ein wenig Geduld. Am Montag, den 9. April 1888 verabschiedet sich eine sehr gerührte, aber entschlossene Thérèse Martin von Les Buissonnets und den in Tränen aufgelösten Angehörigen. "Für immer, immer" wird sie in dieser Wüste mit Jesus und vierundzwanzig Gefährtinnen im Kloster leben dürfen: sie ist fünfzehn Jahre und drei Monate alt.
Im Karmel
Schwester Theresia vom Kinde Jesu ist glücklich, aber das alltägliche Leben der Karmelitinnen bringt verschiedene Leiden mit sich: das Aufeinanderprallen durch das Leben in der Gemeinschaft, die Kälte, die neuen Essgewohnheiten, die Trockenheit im Gebet (2 Stunden Betrachtung und 4½ Stunden liturgisches Gebet)... Aber vor allem eine unerwartete Not: die Krankheit ihres so sehr geliebten Vaters. Von Gehirnarteriosklerose und Urämieanfällen geplagt, wird er plötzlich vermisst (Juni 1888), was die nächsten Angehörigen, und vor allem Schwester Theresia ängstigt. Als Postulantin, dann Novizin, wird sie am 10. Januar 1889, nach einer Besinnung von großer innerer Trockenheit, eingekleidet. Nicht ohne Grund sie ihrem Namen "vom Heiligsten Antlitz" bei.
Die Wahl ihrer Schwester Agnes von Jesus (Pauline) als Priorin anstelle von Mutter Maria Gonzaga (20.2.1893) erfüllt Theresia mit Glück. Ihre Schwester vertraut ihr die Aufgabe an, Theaterstücke für die liturgischen und gemeinschaftlichen Feste zu dichten und einzustudieren.
Der Tod ihres Vaters bei Familie Guérin auf Schloß La Musse stellt Céline frei, die gemäß ihrem Wunsch und dem Theresias in den Karmel von Lisieux eintritt (Sept. 1894). Sie bringt ihren Fotoapparat mit, der die Freizeit belebt und der Nachwelt das Antlitz von Schwester Theresia hinterläßt.
Ende 1894 Anfang 1895 macht Schwester Theresia, die immer noch auf der Suche nach der Heiligkeit ist, eine entscheidende Entdeckung: zwei Texte des Alten Testaments, die sie in einem Heft von Céline gelesen hat erleuchten eine mehrjährige Suche, in dem Verlangen, heilig zu werden und im Bewußtsein ihrer Schwachheit, fühlt sie sich nicht in der Lage, die steile Treppe der Heiligkeit zu erklimmen. Aber "der Aufzug", der sie mit sich nimmt, sind die Arme Jesu. Auf diese Weise, indem sie klein bleibt "und es immer mehr wird", macht sie Gott zur Heiligen.
Mutter Agnes von Jesus trug ihr auf, ihre "Kindheitserinnerungen" für ihre Familie niederzuschreiben. Theresia gehorcht und beginnt in ihren seltenen freien Augenblicken, "die Barmherzigkeit des Herrn in ihrem kurzen Leben zu besingen". Im Januar 1896 übergibt sie der Priorin ein Heft von 86 Seiten (Manuskript A), in dem sie eine Übersicht ihres Lebens unter dem Licht der Barmherzigen Liebe gibt.
Die Wiederwahl von Mutter Maria Gonzaga am 21. März 1896, nach sieben Wahlgängen, spaltet die Gemeinschaft. Die Priorin vertraut die fünf Novizinnen der jüngsten an: Schwester Theresia vom Kinde Jesus. Sie übernimmt die unter diesen Umständen schwierige Aufgabe mit einer erstaunlichen Reife und Sachkenntnis. Ihr werden ebenfalls zwei Priester-Missionare anvertraut, die nach China und Afrika entsandt werden. Diesen sieben jungen Menschen teilt sie die Geheimnisse ihres "kleinen Weges der geistlichen Kindschaft" mit, der ihr so gut gelingt (vgl. Der kleine Weg)
Große Leiden
Seit einigen Monaten leidet Schwester Theresia unter Halsschmerzen, die man vergeblich behandelt, und erleidet während der Karwoche 1896 zwei Bluthustenanfälle. Anfang 1897 spürt Schwester Theresia, daß "ihr Lauf nicht lang sein wird". Im April muss sie erschöpft das gemeinschaftliche Leben aufgeben. Sie bleibt in ihrer Zelle oder im Garten. In Juni wird sich Schwester Agnes ihres bevorstehenden Todes bewusst. Entsetzt spricht sie bei Mutter Maria Gonzaga vor, damit ihre junge Schwester ihre Erinnerungen vervollständigt. Fiebrig schreibt Theresia noch 36 Seiten in ein kleines schwarzes Heft. Völlig erschöpft wird sie am 8. Juli in die Krankenabteilung gebracht. Einen Monat lang spuckt sie Blut, schläft wenig, kann sich nicht ernähren. Die Tuberkulose erreicht die Eingeweide. Mutter Agnes schreibt seit April die Worte ihrer Schwester auf. Mehr als 850 aufgezeichnete Worte werden später zu den "Letzten Gesprächen". In diesem kleinen Zimmer leidet, betet, weint Theresia oder scherzt, um ihre Schwestern zu zerstreuen, und bringt ihr kurzes Leben zur Sprache. Es überkommt sie der große Wunsch, "nach ihrem Tode Gutes zu tun". Sie schreibt noch mühsam einige Briefe als Testament an ihre beiden Brüder Bellière und Roulland. Schreckliche Schmerzen erschöpfen sie, ohne ihr das Lächeln oder ihren tiefen Frieden zu nehmen. Auf einen Zeitraum der Linderung folgt ein 48 Stunden dauernder Todeskampf.
Die letzten Worte der hl. Thérèse (30. September 1897):
"Oh! Das ist wirklich das reine Leiden, denn es gibt keinen Trost dabei. Nein, nicht einen! O mein Gott!!! Und doch liebe ich Ihn, den lieben Gott ... O liebe Heilige Jungfrau, komm mir zu Hilfe! Wenn das der Todeskampf ist, was ist dann der Tod? ... O Mutter! Ich versichere Sie, der Kelch ist voll bis zum Rand! Ja mein Gott, soviel Du willst ... Aber hab´ Mitleid mit mir! ... Mein Gott, mein Gott, hab´ Mitleid mit mir! Ich kann nicht mehr ... Ich kann nicht mehr! Und doch muss ich durchhalten ... Ich bin ... Ich bin am Ende ... Nein, nie hätte ich geglaubt, dass man so leiden kann ... Nie, nie! O Mutter ich glaube nicht mehr an den Tod für mich ... Ich glaube nur noch an das Leiden! Morgen wird es noch schlimmer sein! Nun gut, um so besser! Gut! Weiter! Weiter! Oh! Ich möchte nicht weniger leiden! ... Oh! Ich liebe Ihn ... Mein Gott ... ich ... liebe Dich!"
"Als sie diese Worte ausgesprochen hatte, sank sie plötzlich sanft zurück, den Kopf nach rechts geneigt. Unsere Mutter ließ unverzüglich die Glocke der Krankenwärterei läuten, um die Kommunität zusammenzurufen. "Öffnet alle Türen", sagte sie gleichzeitig. Dieses Wort hatte etwas Feierliches an sich, so dass ich denken musste, der liebe Gott sagt jetzt das Gleiche zu seinen Engeln. Die Schwestern hatten noch Zeit, sich rings um das Bett zu knien, und wurde Zeuge der Verzückung der kleinen heiligen Sterbenden. Ihr Gesicht hatte seine Lilienfarbe, die ihm bei voller Gesundheit eigen gewesen war, zurückgewonnen, ihre Augen blickten nach oben, strahlend in Friede und Freude. Sie bewegte den Kopf auf anmutige Weise, so als habe jemand sie mit einem Liebespfeil göttlich verwundet, dann den Pfeil herausgezogen, um sie von neuem zu verwunden ... Sr. Maria von der Eucharistie näherte sich mit einer brennenden Kerze, um ihren erhabenen Blick aus der Nähe besser zu sehen. Im Licht dieser Kerze war keine Bewegung ihrer Lider zu sehen. Diese Verzückung dauerte ungefähr wie ein Credo, dann stieß sie ihren letzten Seufzer aus. Nach ihrem Tod blieb ein himmlisches Lächeln auf ihrem Gesicht. Sie war bezaubernd schön. Sr. Theresia wurde am 04. Oktober 1897 beigesetzt." (Sr. Agnes von Jesus)